[Rezension] Das Buch der Schurken von Martin Thomas Pesl
“Was wäre die Welt ohne Schurken?” lautet die Frage, die einem vom Klappentext direkt ins Auge sticht? Im wahren Leben eine Situation, die durchaus als erstrebenswert erachtet werden könnte, aber in der Literatur? Da sind es doch oftmals gerade die Schurken, die uns zum Weiterlesen zwingen, uns den Atem anhalten lassen und die Helden immer wieder herausfordern. Man fürchtet sie, man verachtet sie und nicht selten hat man auch ein bisschen Bewunderung für sie übrig. In jedem Fall machen sie eine Geschichte erst so richtig unterhaltsam.
Worum geht’s?
Um Schurken – wer hätte das gedacht?! Aber nicht um irgendwelche Schurken. Martin Thomas Pesl hat es sich mit diesem Buch zur Aufgabe gemacht, die 100 genialsten Bösewichte der Weltliteratur zusammenzufassen. Allerdings handelt es sich bei dieser Liste um eine rein subjektive Zusammenstellung, wie der Autor im Vorwort erklärt. Zudem liegen dieser einige Regeln zugrunde. So hat der Autor versucht eine gewisse Diversität unter seinen Schurken zu gewährleisten. So finden sich Schurkenvertreter aus aller Welt und außerdem hat er versucht ungefähr gleich viele Schurkinnen wie Schurken zu finden, was sich, wie er sagt, als gar nicht so leicht herausstellte – die Frauenquote ist in diesem Geschäft wohl noch nicht so ganz durchgesetzt. Außerdem galt für ihn: nur ein Schurke/ eine Schurkin und nur ein Artikel pro Werk und Autor/Autorin! Da muss man natürlich gut auswählen, was auch einige Überraschungen zur Folge hat. Nicht der Dunkle Lord höchst persönlich sondern die sadistische Mitläufer-Lehrerin Dolores Umbridge hat es in diese Riege der Ober-Schurken geschafft.
Zudem muss man bedenken, dass Schurke nicht gleich Schurke ist. So wurden der Liste 12 Kategorien auferlegt. Da gibt es die Despoten, die Psychopathen, die verrückten Wissenschaftler oder auch die fatalen Frauen und viele mehr. Man sieht: das Studium der Schurken ist ein weites Feld…
Jedem der ausgewählten Schurken widmet Pesl in dieser “Enzyklopädie” eine Doppelseite. Neben dem eigentlichen Artikel beinhaltet diese natürlich die Nennung des Werkes, in dem der jeweilige Schurke sein Unwesen treibt, sowie Autor, Übersetzer und Erscheinungsjahr aber auch eine charakteristische Illustration, ein Zitat, das das Wesen des Schurken bzw. der Schurkin gut auffasst und einen kleinen Steckbrief mit witzigen Eigenschaften.
Am Ende gibt es eine leere Liste in der der Leser selbst seine Top20 Schurken aufzählen kann.
Meine Meinung
“Das Buch der Schurken” ist lustig, informativ und lässt die Bücherwunschliste stark anwachsen…
Martin Thomas Pesl schreibt in einem kolumnistischen und sarkastischen Stil, der die noch so bösen Schurken irgendwie aufs Korn nimmt und sich leicht und unterhaltsam lesen lässt.
Immer wieder tauchen auch Querverweise zu anderen Schurken auf, was die Lektüre zusätzlich spannend und oftmals lustig macht.
“Crake halten sie für ein göttliches, gütiges Wesen. Er hat es also geschafft: Ein Bösewicht, der alles zerstört und von den eigenen Kreaturen geliebt wird – Frankenstein erblasst vor Neid.”
(Das Buch der Schurken, S.211)
Neben einigen Weltbekannten Superschurken wie Graf Dracula, Sauron und Hannibal Lecter tauchen auch weniger bekannte Bösewichte, teilweise aus uralten Sagen, auf. Das fand ich zwar oft interessant, aber führte auch manchmal dazu, dass ich mit einigen Schurken nicht viel anfangen konnte. Da die Schurken im Mittelpunkt stehen, fehlte mir dann manchmal etwas die Geschichte drumherum. Besser gefielen mir daher die Artikel zu den Schurken, die ich schon kannte, denn auch zu denen gab es manchmal noch interessante Informationen und Interpretationen, vor allem aber waren sie witzig zu lesen.
Ich habe sehr lange gebraucht, dieses Buch komplett durchzulesen. Nach fünf oder sechs abgeschlossenen Artikel über Schurken, überkam mich dann meist doch der Wunsch erstmal wieder etwas anderes zu lesen…besonders, wenn einige Schurken hintereinander an der Reihe waren, die ich nicht kannte.
Für mich ist es eher ein Buch, in dem man zwischendurch immer mal wieder blättert und welches dann sehr unterhaltsam ist.
Man muss jedoch dazu sagen, dass man Gefahr läuft ordentlich gespoilert zu werden. Vor solchen Artikeln hätte ich mir wirklich einen Hinweis gewünscht. Bei Schurken, die als solche durchgehend ihren Charakter ausleben ist das natürlich egal, aber beim Schurken eines Agatha Christie Whodunnits, kann das einem das Lesevergnügen eines Werkes doch stark vermiesen.
Dennoch haben sich alleine durch die Vorstellung diverser Schurken nun einige neue Bücher auf meiner Wunschliste eingereiht.
Besonders gefiel mir die Aufmachung des ganzen Buches: Die Artikel gespickt mit einem wichtigen Zitat und einer Zeichnung, die lustigen Steckbriefe, die die Eigenschaften des Schurken nochmal ironisieren und zu guter Letzt eine Blankoliste, in der man als Leser seine eigene Top-Liste der Schurken festhalten kann – worüber ich zugegebenermaßen immer noch nachdenke…
Fazit
Das Buch der Schurken ist unterhaltsam und interessant. Man bekommt einige Infos zu großen Geschichten der Weltliteratur, von denen man vorher oft nur den Titel schonmal gehört hat (ich muss zugeben: manchmal nicht mal das). Außerdem regt es zum Nachdenken über die Wesenszüge von typischen Bösewichten und deren Bedeutung für die Literatur an. Man lernt: Schurke ist nicht gleich Schurke.
Man sollte nicht mit dem Anspruch an dieses Buch herangehen, es am Stück zu lesen. Zum Blättern zwischendurch ist es aber auf jeden Fall lesenswert!
Kleiner Tipp: Artikel zu Büchern, die man in der nächsten Zeit lesen will, besser erstmal überspringen ODER die Spoiler sowie Interpretation des Autors bewusst als Vorbereitungslektüre mitnehmen…
Bei Bücherwürmern wie mir, für die die Schurken meist die interessantesten Charaktere einer Geschichte darstellen, sollte dieses Buch im Regal nicht fehlen.
Welche sind eure Lieblingsschurken?
Angaben zum Buch
WERBUNG//Rezensionsexemplar*
Titel: Das Buch der Schurken
Autor: Martin Thomas Pesl
Verlag: btb
erschienen am: 09. Januar 2018
Seiten: 256
ISBN: 978-3442716036
Preis: 12,00€
*Rezensionsexemplare erhalte ich im Tausch gegen meine ehrliche und unabhängige Meinung.
**Diese Verlinkung kennzeichne ich als Werbung
(c) Buchcover: btb Verlag
Beitragsbilder: Ricarda Schneide
5 Kommentare
Zeilenende
Aus dem genannten Grund “Das Buch macht nur Spaß, wenn man die Schurken auch kennt”, habe ich bislang auf einen Kauf verzichtet.
Meine Liebling unter den Schurken ist Bellatrix Lestrange in Harry Potter, weil sadistisch-genial-verrückt. Ich glaube, vor keiner Figur hätte ich im wirklichen Leben mehr Angst.
ricysreadingcorner
Ja, ich hätte mir auch tatsächlich mehr “bekannte” Bösewichte gewünscht. Aber interessant sind auch die unbekannteren. Nur eben nicht wenn man das Buch komplett am Stück lesen möchte…
Oh ja, Bellatrix Lestrange ist definitiv ein schauriger Schurke! Würde für mich im Harry Potter Universum auch definitiv über Dolores Umbridge auf der Schurken-Skala stehen…
Nicole
Bei mir steht das Buch ja auch auf der Wunschliste, weil ich die Idee und die Aufmachung sofort interessant fand. Deine Rezension macht mir nur noch mehr Lust, auch wenn ich es schade finde, dass es keine Warnung vor Spoilern gibt. Das fände ich in einem solchen Werk dann doch sehr wichtig, um den Lesern nicht die Freude an einem Buch zu nehmen, dass sie noch nicht kennen. Finde ich etwas schade, dass das nicht gemacht wurde. Ansonsten hört sich das aber echt toll an, auch die Auswahl des Autors und da er da versucht hat sehr divers auszuwählen und beide Geschlechter honoriert.
Bei Harry Potter finde ich Dolores Umbridge zwar auch ein guter Bösewicht, aber ich fand Bellatrix Lestrange ebenfalls furchteinflößender, schon aufgrund der irren Lache, die beim Anschauen durch Mark und Bein geht. Dann natürlich auch der “Dunkle Lord”, aber Bellatrix macht da sogar noch etwas mehr Spaß beim Zuschauen, weil Helena Bonham Carter sie grandios spielt.
Ansonsten kann ich dir aber zustimmen: Jede gute Geschichte braucht einen Schurken, der dem Helden ebenbürtig ist, sonst wäre sie langweilig. Und ab und an kann so ein Schurke ja stellenweise sogar etwas mehr Identifikationspotenzial bieten, als der Held, wenn er gut ausgearbeitet ist und Facetten mitbringt.
ricysreadingcorner
Ja die Spoiler sind teilweise echt gemein. Andererseits ist es natürlich schwierig, einen Schurken zu beschreiben ohne ihn als diesen zu benennen :D alleine durch die Aufmachung der Artikel müsste schon immer auf der vorigen Seite ein Spoiler- Hinweis stehen, da nicht das Werk sondern der Schurke in der Überschrift steht …
Ich glaube Bellatrix Lestrange würde gerade in der Potter -Generation bei einer Umfrage ganz oben auf der Schurkenliste stehen :D
Nicole
Dankeschön auch für dein liebes Kommentar zu meiner Rezension
Wenn du die natürlich schon auf dem SuB liegen hast, dann ist das natürlich noch besser und es freut mich gleich noch mehr, dass ich dich neugierig machen konnte. Bin dann echt gespannt was du zu den Büchern sagst :). Und gut zu wissen das Simon Beckett auch live unglaublich sympathisch ist, da liest man seine Bücher ja noch lieber.