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[Rezension] “Die Träumenden” von Karen Thompson Walker

Selten hat mich ein Klappentext so schnell davon überzeugt, ein Buch unbedingt lesen zu müssen. Eine mysteriöse Krankheit? Eine Kleinstadt im Ausnahmezustand? Eine Vielzahl an Figuren, die alle ganz unterschiedlich mit dieser Katastrophe umgehen? Das klang für mich nach genau der Art von Endzeitgeschichte, die ich so spannend finde…

Worum geht’s?

Man taucht direkt in die Geschehnisse ein. Kara ist Studentin an einem College der Kleinstadt Santa Lora, Kalifornien. Nach einer Party ist sie plötzlich unglaublich müde. Sie legt sich zum Schlafen hin und wacht nicht mehr auf. Die Ärzte rätseln über die Ursachen, können aber zunächst keine Erklärung finden. Dann fällt eine weitere Studentin in den mysteriösen Schlaf, der sich von da an immer weiter in der Stadt ausbreitet. Die Erkrankten sind nicht tot, sie wachen nur einfach nicht mehr auf. Niemand fühlt sich mehr sicher. In der Stadt bricht Panik aus, während die Kranken friedlich schlafen. Naja, nicht ganz so friedlich, denn eines scheinen sie alle gemeinsam zu haben: sie träumen offenbar sehr intensiv. Und mitten in diesem Chaos begleitet man als Leser zahlreiche Figuren, die
unterschiedlicher nicht sein könnten: eine schüchterne Studentin, die von der Quarantäne betroffen ist, die dem College auferlegt wird. Zwei Mädchen, deren Vater sich bestens auf solche Szenarien vorbereitet hat und sich mit ihnen angesichts des von ihm befürchteten Weltuntergangs im Haus verbarrikadiert. Ein junges Ehepaar, das vor allem versucht ihr Neugeborenes zu schützen und einige mehr…

Meine Meinung

Was für eine unheimliche Vorstellung, einzuschlafen und einfach nicht wieder aufzuwachen, aber auch nicht zu sterben.
Ein Schicksal, das in diesem Roman zahlreiche Einwohner der Kleinstadt Santa Lora ereilt.
Als Leser verfolgt man eine Stadt im Ausnahmezustand. Eine unsichtbare Gefahr, die immer mehr Opfer fordert und die sich einfach niemand erklären kann. Kommt es aus dem Leitungswasser? Aus der Luft? Ist es ansteckend? Warum scheinen die Erkrankten so intensiv zu träumen?
Fragen, Unsicherheit, Angst und Verzweiflung prägen die Atmosphäre dieses Romans. Es werden viele verschiedene Figuren vorgestellt und während der Erzähler die meiste Zeit recht distanziert bleibt schlüpft er zwischendurch in die Gefühls- und Gedankenwelt dieser Figuren hinein und liefert dem Leser somit neben einem starken Spannungsbogen auch noch die volle Ladung der Gefühle, denen die Menschen in dieser Situation ausgesetzt sind. Schwarzmaler, Leugner, Optimisten, Fachleute, verzweifelte Eltern, engagierte und furchtlose Helfer… diese Geschichte zeigt gnadenlos, dass in einer solchen Situation niemand sicher ist.

Diese verschiedenen Figuren, deren Leben angesichts der unbekannten Gefahr gleichermaßen so aus den Fugen gerät, ziehen den Leser in einen albtraumhaften Sog, der mich einfach nicht mehr loslassen wollte, bis ich die letzte Seite umgeschlagen hatte – nicht einmal 24 Stunden, nachdem ich mit dem Buch begonnen hatte.

Doch es gibt noch etwas, das dieses Buch meiner Meinung nach besonders spannend und einzigartig macht.
Interessante Endzeitszenarien gibt es viele, spannende Charaktere ebenfalls. Nein, es war der Erzählstil: ich dachte auf den ersten paar Seiten, dass es sich dabei nur um eine Art Prolog handeln könne, so distanziert und sachlich führt der Erzähler einen in die Geschichte ein. Wie ein Fernsehreporter, der über merkwürdige Vorkommnisse auf der anderen Seite der Welt berichtet. Ich musste direkt an X-Factor das Unfassbare denken.
Gleichzeitig wird schon auf diesen ersten Seiten eine unheilschwangere Atmosphäre aufgebaut, da die Schilderungen der Ereignisse teils nur hypothetisch wieder gegeben werden, oder Vorahnungen bzw. zukünftig eintreffende Ereignisse angekratzt werden, die der Handlung vorausgreifen.
Doch dieser Stil setzt sich fort, was mich zunächst sehr irritiert hat. Schon nach wenigen Seiten hat aber genau dieser Stil, der weiterführende Gedanken und Überlegungen immer nur andeutet, Vorahnungen aufwirft, ohne Erklärungen zu liefern und dem Leser immer wieder das Gefühl gibt, ein entfernter Beobachter zu sein, so sehr in seinen Bann gezogen, dass ich nicht mehr aufhören konnte zu lesen.

Dennoch darf man sich diesen Roman nicht als kalten Ereignisbericht vorstellen. Es gibt einen steten Wechsel zwischen klarer, sachlicher Schilderungen der Tatsachen und tiefgründigeren Überlegungen zur Natur, zum Menschen und ihren moralischen Prinzipien, zu der Bedeutung von Träumen. Da die einzelnen Figuren so unterschiedlich sind, bringen sie, wenn der Erzähler in ihre Gedankenwelt schlüpft interessante Überlegungen mit ein, die zumindest teilweise zunächst nicht viel mit den Geschehnissen zu tun haben, jedoch vom Leser durchaus so gedeutet werden können. Realität, Träume, Hypothesen vermischen sich immer mehr, währen sich die Lage immer weiter zuspitzt. Interpretationsspielraum gibt es zur Genüge, denn viele Erklärungen liefert dieser Roman nicht.

Fazit

Die Träumenden ist ein spannender, tempogeladener Roman. Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig, war aber letztendlich das, womit mich diese Geschichte am meisten überzeugt hat. Mir fällt es immer noch schwer, diese genauer einzuordnen. Ist es eine reißerische Katastrophengeschichte? Ist es ein nachdenklicher Roman über den Menschen? Irgendwie ist dieses Buch ganz viel und war trotzdem so schnell vorbei. Ich kann nur sagen: unbedingt lesen!

Vielen Dank an HarperCollins Germany für das Rezensionsexemplar*!

Angaben zum Buch // Anzeige

Titel: Die Träumenden
Originaltitel: The Dreamers
Autorin: Karen Thompson Walker
Übersetzung: Urban Hofstetter
Verlag: HarperCollins
erschienen am: 01. Februar 2019
Seiten: 336
ISBN: 978-3959672603
Preis (Broschiert): 12,99€ (auch als E-Book erhältlich)

Link zum Buch!

*Rezensionsexemplare erhalte ich kostenlos im Tausch gegen meine ehrliche Meinung.

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