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[Rezension] “So schöne Lügen” von Tara Isabella Burton

So schöne Lügen hatte durch seinen Titel und Klappentext sofort meine Aufmerksamkeit. Ich erwartete eine spannende Geschichte voller Intrigen, Skandale und Geheimnisse, wie man sie von Pretty Little Liars oder Gossip Girl kennt und bekam noch viel mehr als nur das…

Worum geht’s?

Louise versucht seit Jahren, als Schriftstellerin in New York erfolgreich zu werden. Doch statt an ihren Schreibprojekten zu arbeiten und durch erfolgreiche Veröffentlichungen endlich einen Einstieg in die besseren Kreise der Gesellschaft zu finden, von denen sie sich so angezogen fühlt, versucht sie eher schlecht als recht mit drei weniger prestigeträchtigen Jobs die Miete ihrer kleinen Wohnung in einer heruntergekommenen Gegend in Brooklyn zu finanzieren.
Eines Tages meldet sich Lavinia auf ihre Annonce als Nachhilfelehrerin. Sie braucht eine Babysitterin für ihre kleine Schwester, die eigentlich keine Nachhilfe braucht, damit sie auf eine Party gehen kann. Auf Louises optimistisch hochgesteckte Honorarvorstellung steigt sie sofort ohne mit der Wimper zu zucken ein. Spätestens als Louise ihre Wohnung sieht, ist ihr auch klar warum. Lavinia ist reich. Sehr reich. Und hat gerade nichts zu tun, außer Party zu machen, da sie ihr Studium unterbrochen hat, angeblich, um an ihrem Roman zu arbeiten.
Um wieder gut zu machen, dass Lousie die ganze Nacht auf sie warten musste, läd Lavinia sie ein, auf die nächste Party mitzukommen. Sie werden beste Freundinnen und endlich erhält Lousie den Zugang zu einer Welt, von der sie bisher nur geträumt hat. Sie besucht die glamourösesten und ausgefallensten Partys und zieht nach kurzer Zeit sogar bei Lavinia ein. Sie kann nicht genug bekommen von dieser Welt, in die sie doch, wenn sie ehrlich ist, gar nicht passt und von einem Leben, dass sie sich ohne Lavinia niemals leisten könnte. Sie weiß, ohne Lavinia müsste sie sofort zurück in ihr altes Leben und Lavinia ist schnell von Menschen gelangweilt. Als Louise merkt, dass sie ihr nicht mehr lange gerecht werden kann, beginnt sie, Lavinia zu bestehlen und sie ist bereit noch weiter zu gehen.

Meine Meinung

Es hat etwas gedauert, bis ich in die Geschichte reingekommen bin. Das lag vor allem am Schreibstil und daran, dass mir sämtliche Charaktere in diesem Roman unsympathisch waren, was jedoch sehr gut zur Thematik passt.
Als Leser erfährt man ziemlich schnell, dass Lavinia wenige Monate nach Beginn der erzählten Ereignisse tot ist und man ahnt außerdem schnell, dass Lousie irgendwas damit zu tun hat.
Louise kommt aus einfachen Verhältnissen aus Devonshire, was dazu führt dass viele erst einmal davon ausgehen, dass sie die rennomierte Eliteschule Devonschire Academy besucht hat. Das ist nicht der Fall, doch eines der prägendsten Ereignisse ihrer Jugend war, als sie sich ein paar Monate lang in die Mensa eben dieser Academy eingeschleust hat und so getan hat, als gehöre sie dazu. Sie hat also schon früh geübt.
Nun ist sie also Lavinias Freundin und Mitbewohnerin und muss so tun, als würde sie in diese Welt passen und außerdem muss sie so tun, als würde sie Lavinia tatsächlich bewundern, damit es Lavinia langweilig wird, Zeit mit ihr zu verbringen.
Das fällt ihr zunächst nicht schwer. Lavinia scheint freundlich, großzügig, intelligent und interessant. Doch schnell fällt ihr auf, dass in dieser Welt eben niemand so ist, wie er scheint. Was das angeht, passt Louise doch sehr gut hinein. Denn auch sie ist nicht die bewundernde, aufopfernde, ehrliche und wohlwollende Freundin, die sie vorgibt zu sein.
Aufgrund ihres neuen party-intensiven Lebensstils, verliert sie nach und nach ihre Jobs, bekommt Geldprobleme und beginnt Lavinia zu bestehlen, um weiter mithalten zu können.
Dann verliebt sich Louise auch noch in Lavinias Ex-Freund. Muss Lavinia verschwinden? Und kann Louise ihren Platz einnehmen?

” ‘Du wirst mal eine große Schriftstellerin, Lavinia. Daran habe ich keinerlei Zweifel. Nicht den geringsten Zweifel der Welt.’ In dieser Nacht wird Louise erst klar, wie jung Lavinia noch ist.

Es ist so leicht, sie anzulügen.

So schöne Lügen, Tara Isabella Burton, S. 74

Neben Louise und Lavinia werden noch zahlreiche weitere Charaktere eingeführt, denen es ebenfalls vor allem darum geht, bedeutsam zu wirken, ihre Stellung in dieser Gesellschaft zu wahren. Der Weg, den Louise geht, ist gesäumt von Leuten, die ebenfalls versuchen oder versucht haben, in dieser Welt Fuß zu fassen. New York scheint diese Menschen anzuziehen. New York ist die Königsdisziplin. Als Hommage an diese schillernde Stadt, lässt die Autorin auch in jeder Bar “New York, New York” von Sinatra spielen. If I can make it here, I’ll make it anywhere scheint nicht nur Louises Mantra zu sein. Die Faszination aller Beteiligten von dieser Stadt wird deutlich spürbar. Sie lässt aber auch kaum Klischees aus. Weder bei der Beschreibung des Stadtlebens noch bei den Figuren. Sie spielen ihre Rollen und haben nicht sonderlich viel Tiefe, scheinen fast so leer, wie sie alle befürchten zu sein. Louise verhält sich da noch am widersprüchlichsten. Sie durchschaut die Oberflächlichkeit, die Falschheit und tut trotzdem alles, um dazu zu gehören. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum sie das eigentlich tut. Aber vielleicht gibt es eben keinen Grund, außer dazuzugehören, auch wenn man die Menschen zu denen man gehören möchte nicht mag? Irgendwie habe ich keinen richtigen Zugang zu ihr gefunden und das machte sie für mich umso unsympathischer.

“Louise beobachtet gern Leute; sie findet das beruhigend; wenn du dich lange genug auf das konzentrierst, was mit anderen nicht stimmt, fragst du dich nicht mehr ganz so oft, was mit dir nicht stimmt.”

So schöne Lügen, Tara Isabella Burton, S. 11

Zwar ist die Geschichte im Großen und Ganzen aus Lousises Perspektive erzählt, doch die Erzählhaltung diestanziert sich immer wieder von ihr, was einen sehr kritischen Blick auf das Geschehen und die Gesellschaft ermöglicht. Wenn sie Louises Handlungen beschreibt, nutzt die Autorin kurze knappe Sätze, die häufig mehrfach hintereinander mit Louises Namen als Subjekt beginnen und die dazu führen, dass Lousie etwas unheimlich wie ferngesteuert, ja manchmal wie in Trance, wirkt, was sie ja auch irgendwie ist durch ihre Sucht nach diesem glamourösen Leben und ihre Angst, es wieder zu verlieren. Dieser Schreibstil kam mir zunächst viel zu platt, zu monoton vor, doch ich musste später erkennen, dass er clever gewählt ist. Neben diesen distanzierten Beschreibungen werden immer wieder Ausblicke in die Zukunft eingeworfen, was Spannung erzeugt und Lousie gleichzeitig fast dafür verspottet, wie sie sich ins Zeug legt, nur um in dieser Welt der Oberflächlichkeiten zu bestehen, was ja zwangsläufig früher oder später schief gehen muss.

Dieser Roman ist gerade durch diese kritische, ja, manchmal ironische Erzählhaltung nicht nur ein Thriller über Lügen und Skandale in der High Society, sondern auch ein kritisches Gesellschaftsportrait.
Lousie fällt auf, dass diese Welt sehr oberflächlich ist, dass hinter schillernden Kleidern und rauschenden Partys ganz viel Leere ist, dass jeder jedem etwas vormacht. Trotzdem möchte sie um jeden Preis dazugehören. In dieser Welt und auf diesen Partys geht es nur darum, den Schein zu wahren. Den Schein, glücklich zu sein, frei und unabhängig zu sein, etwas Bedeutsames zu tun. Am besten lässt sich das natürlich auf Instagram-Fotos festhalten. Oder zumindest so darzustellen. Den meist nur halb ironisch gemeinten Spruch Wenn du es nicht postest, ist es nicht passiert, kennt wahrscheinlich jeder Digital Native. Und wenn das eigene Leben einem so langweilig und unwichtig erscheint, kann man daraus sogar machen: Wenn du es postest, ist es passiert! Schnell noch einen tiefsinnigen Spruch drunter und schon wirkt das Leben viel beeindruckender. Wenn schon keine Party ewig dauern kann, um nicht in diese Leere und Bedeutungslosigkeit zurückzufallen, nutzt man eben das, was bleibt, um zumindest den Schein zu wahren. Social Media eignet sich dafür hervorragend. Etwas was auch Louise schnell erkennt und sich zu Nutzen macht.

Fazit

So schöne Lügen ist nicht nur ein spannender Roman über eine Frau, die bereit ist, alles zu tun, um zu den Reichen und Schönen zu gehören und sich in diesen elitären Gesellschaftskreisen zu behaupten, sondern auch eine Kritik an eben dieser Gesellschaft, die aus Oberflächlichkeiten und Fassaden besteht und zeitgleich an einer ganzen Generation, in der Bedeutsames erleben bedeutet, es auf Instagram zu posten und so aussehen lassen, als wäre es bedeutsam.
Der Schreibstil ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, erkennt man, dass er sehr passend gewählt ist.
Genauso ist es mit den Charakteren. Während diese mich beim Lesen oftmals genervt haben, passt ihre Leere und ihr klischeehaftes Verhalten eigentlich sehr gut zu der Aussage des Romans.

Vielen Dank an den Dumont Buchverlag für das Rezensionsexemplar!

Anzeige // Angaben zum Buch

Titel: So schöne Lügen
Autorin: Tara Isabella Burton
Übersetzung: Clara Drechsler, Harald Hellmann
Verlag: Dumont Buchverlag
erschienen am: 17. Mai 2019
Seiten: 336
ISBN: 978-3832183707
Preis: 22,00€ (gebundenes Buch)

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