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[Rezension] “Unterwasserflimmern” von Katharina Schaller

Die namenlose Protagonistin in Katharina Schallers Debütroman Unterwasserflimmern ist Anfang 30 und in einer langjährigen Beziehung mit Emil. Dieser ist 10 Jahre älter als sie und möchte so langsam Nägel mit Köpfen machen: Haus und Kinder.
Sie hingegen hat das Gefühl, dass die Beziehung ihr immer weniger das gibt, was sie sich wünscht: Leichtigkeit, Freiheit und Leidenschaft. Und dann gibt es da auch noch Leo, der ist noch älter als Emil und bereits verheirateter Familienvater – mit ihm hat sie eine Affäre. Und obwohl diese mit deutlich weniger Verpflichtungen für sie einhergeht als die Beziehung zu Emil, will auch Leo immer wieder die Bestätigung, dass sie sich wiedersehen werden.
Als Emil ihr dann eröffnet, dass er ein Grundstück gekauft hat, sieht sie sich gezwungen, sich zu entscheiden. Da sie sich nicht ausschließlich für Emil, für Haus und Kind, entscheiden kann und will, geht sie einfach und macht sich auf einen spontanen Trip irgendwo Richtung Süden, irgendwo Richtung Meer auf. Dort lernt sie weitere Menschen kennen, hat weitere Liebschaften und nimmt sich vor allem ganz viel Zeit, sich mit sich und ihren Wünschen auseinanderzusetzen. Doch vor allem tut sie eins: sie lebt einfach in den Tag hinein und verdrängt erstmal, dass zuhause Entscheidungen auf sie warten.
Das geht so lange gut, bis etwas anderes geschieht, das sie vor eine weitere unerwartete Entscheidung stellt, die das, was sie sowieso schon beschäftigt, nicht unbedingt einfacher macht.

Katharina Schaller hat hier ein ungewöhnliches Romandebüt vorgelegt, dessen Protagonistin nicht von gesellschaftlichen Normen eingeschränkt werden will und sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse voll und ganz in den Mittelpunkt stellt.
Was an sich etwas ist, das Frauen viel häufiger mal machen sollten, führte in diesem Fall leider auch dazu, dass sie mir ziemlich unsympathisch war.
Nennt mich altmodisch, aber ich finde, Selbstfindung hört da auf, wo sie andere in ihrer Freiheit einschränkt. Ich wollte erst schreiben „wo sie andere verletzt“, aber das ist nicht richtig. Manchmal lässt es sich nicht verhindern, andere zu verletzen. Und das hätte sie vielleicht früher tun sollen, indem sie ihrem Freund sagt, was Sache ist. Was ich meine ist: mir tut Emil leid. Er macht ja nichts falsch damit, dass er in einer langjährigen Partnerschaft eine Familie gründen möchte. Es ist eben nicht das, was sie möchte, was ja auch vollkommen legitim ist, aber das hätte sie ihm meiner Meinung nach sagen sollen, bevor sie mit einem anderen ins Bett steigt. Nichts gegen offene Beziehungen und Polyamorie, aber zu jeder Beziehung gehören zwei Menschen und die sollten sich einig darüber sein, wie diese auszusehen hat und wenn sie das nicht sind, müssen sie sich trennen, aber nicht den anderen hintergehen. Hätte sie ihm früher gesagt, dass ihr die eine Beziehung nicht reicht, hätte Emil sich entscheiden können, wie er damit umgeht, aber so wurde er einfach hintergangen. Meine Meinung!
So nachdem ich das losgeworden bin, kommen wir nun zudem, was mir am Buch gefallen hat.
Ich mochte es, dass eine weibliche Protagonistin so unkonventionell und freizügig auf Entdeckungskurs ihrer eigenen Bedürfnisse geht und ich mochte auch, dass dies explizit beschrieben wurde. Ich finde es wichtig, dass weibliche Bedürfnisse seien es sexueller Form oder auch bezogen auf Lebensentwürfe, mehr in der Literatur angesprochen werden. Dass ist ja auch nicht mehr wirklich was Neues und das ist sehr gut so!
Was mir jedoch nicht gefiel, war die Art wie es beschrieben wurde. Während die eigentliche Sprache in diesem Roman meist recht nüchtern, teilweise sogar nachdenklich ist, kippt diese oft plötzlich, gerade in den Beschreibungen der sexuellen Erlebnisse in einen sehr derben Ton, bei dem ich mich fragte, ob das nun sein muss.
Manchmal ist es auch eine merkwürdige Mischung aus beidem. Manche mögen das für emanzipatorisch halten, für mich fühlt sich das leider nicht so an, da es sich dann wieder auf ein Niveau mit den von der Pornoindustrie verbreiteten sexuellen Vorstellungen begibt, von denen ich mir eigentlich wünsche, dass sie mal langsam widerlegt werden.

Mich lässt dieser Roman absolut zwiegespalten zurück. Einerseits gefällt mir, mit welcher Offenheit, die Autorin ihre Protagonistin hier über ihre Gedanken und Bedürfnisse sprechen lässt und die Kernfrage, die auch schon im Klappentext gestellt wird, finde ich sehr spannend: Kann ein Mensch für einen anderen genug sein?

Leider eckte die Art, wie die Protagonistin damit umgeht, ein wenig an meine eigenen Moralvorstellungen an, was es mir schwer machte, mich richtig in sie hineinzuversetzen. Die Fragen, wie man sich sein eigenes Leben vorstellt und ob man bereit ist, sich auf einen bestimmten Lebensentwurf festzulegen, sind natürlich oft sehr präsent in diesem Alter und ich finde es spannend, dass sie sich den gesellschaftlichen Konventionen entzieht, diese Entscheidungen einfach verdrängt und sich stattdessen treiben lässt, aber irgendwie kam mir die Beschreibung dieser Selbstfindung doch sehr oberflächlich vor. Ich hatte das Gefühl einfach keinen richtigen Zugang zu der Protagonistin oder zu ihren Gefühlen und Erlebnissen zu finden.
Obwohl der einfache Schreibstil mich locker durch die Seiten trug und ich das Buch somit ziemlich schnell gelesen habe, wechselte er mir zu unpassend von nüchtern bis nachdenklich zu derb.
Zu den Figuren konnte ich keinen richtigen Draht aufbauen und die Figuren neben der Protagonistin blieben blass und austauschbar, was jedoch irgendwie auch zu ihrer Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit passte.

Ich habe bereits einige sehr positive Rezensionen zu diesem Roman gelesen und kann diese auch nachvollziehen, da er wie bereits gesagt wichtige Fragen, die sich Personen in dem Alter der Protagonistin stellen, behandelt und ungewohnt offen mit dieser überstürzten Flucht in die Selbstfindung – oder ist es Vermeidung? Beides wäre verständlich – umgeht.
Leider konnte mich die Umsetzung aber nicht ganz überzeugen.

Wen die Thematik interessiert, der sollte sich jedoch darauf einlassen und sich selbst ein Bild machen. Wenn der Roman eins zeigt, dann dass Menschen unterschiedliche Lebensvorstellungen und Werte haben und deshalb können andere diesem Buch bestimmt mehr abgewinnen!

Vielen Dank an den Haymon Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Anzeige// Angaben zum Buch

Titel: Unterwasserflimmern
Autorin: Katharina Schaller
Verlag: Haymon Verlag
erschienen am: 23. März 2021
Seiten: 240
ISBN: 978-3709981306

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