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[Rezension] “Die Geschichte eines Lügners” von John Boyne

Als ich im November vom Piper-Verlag gefragt wurde, ob ich Interesse hätte, dieses Buch vorab zu lesen und zu rezensieren, musste ich nicht lange überlegen. Vielen Dank an dieser Stelle für das Rezensionsexemplar!
John Boyne, der Autor, der mich schon vor Jahren mit seinem Bestseller “Der Junge im gestreifen Pyjama” überzeugen konnte, erzählt in seinem neuen Roman die – wer hätte das gedacht? – Geschichte eines Lügners.

Zum Inhalt

Die Geschichte handelt von dem jungen Schriftsteller Maurice Swift, der zwar wunderbar mit Wörtern umgehen und Geschichten erzählen kann, dem aber leider etwas Grundlegendes fehlt: die Ideen für gute Geschichten.
In Westberlin trifft er Erich Ackermann, einen Schriftsteller, der gerade einen wichtigen Preis gewonnen hat. Ziemlich schnell wickelt er den bekannten Autor um den Finger, reist mit ihm auf Lesereise durch Europa und wird in wichtige Schriftstellerkreise eingeführt. Zudem bringt er Ackermann dazu, ihm von seinem Leben zu erzählen. Ganz vertrauensselig weiht dieser ihn auch sein dunkelstes Geheimnis ein. Eine Geschichte, die Maurice endlich den Stoff für seinen ersten Roman gibt. Dieser macht ihn auf anhieb berühmt, während Ackermanns Karriere für immer beendet ist.
Maurice will aber immer mehr Ruhm, doch dafür braucht er neue natürlich auch Geschichten…

Meine Meinung

Was für ein unangenehmer, ja scheußlicher Charakter Maurice ist! Es ist nichtmal einer dieser bösen Charaktere, die man irgendwie trotzdem mag und insgeheim hofft, dass sie mit dem durchkommen, was sie tun oder die man sogar irgendwie verstehen kann. Und deshalb ist es umso erstaunlicher, wie sehr mich dieses Buch gefesselt hat. In nur zwei Tagen habe ich es verschlungen. Vielleicht, weil ich teilweise so sehr um die Menschen in Maurices Umfeld gebangt habe.
Maurice ist gutaussehend und kann charmant sein, wenn es ihm gerade passt und das war es auch schon, was man ihm zugute halten kann. Aber es ist auch genau das, was ihn letztendlich so erfolgreich macht. Die Menschen verlieben sich in ihn, wollen mit ihm zusammen sein und geben ihm daher das, was er will. Dass er ein rücksichtsloser Narzisst und zudem ein Hochstapler ist, verzeihen sie ihm oder bemerken es erst gar nicht, bis es zu spät ist. Vielleicht ist es auch etwas, das einem als Leser*in einfach nur besonders deutlich wird, da man die Geschichte zu einem Teil aus Maurices Sicht erzählt bekommt.
Damit komme ich auch schon zu dem Punkt der dieses Buch für mich besonders ausmacht. Es ist nämlich nicht nur so, dass der Roman von einem Protagonisten getragen wird, der ein zwar sehr schöner, aber charakterlich verdorbener Widerling ist, der einen trotzdem fesselt, sondern auch die Art der Erzählung ist etwas Besonderes.
Die ganze Geschichte zieht sich über mehrere Jahrzehnte und wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Zuerst aus der Ich-Perspektive von Erich Ackermann, einem erfolgreichen Schriftsteller, der den jungen Maurice kennenlernt und ihn mit auf seine Lesereise nimmt. Ackermann ist ganz vernarrt in ihn und erzählt ihm immer mehr über sein Leben, seine Jugend und ein dunkles Geheimnis, dass er seit Ewigkeiten mit sich herumträgt und er bemerkt nicht, dass Maurice es nur darauf abgesehen hat.
Der nächste Teil wird aus der Sicht eines anderen berühmten Schriftstellers erzählt, zu dem Maurice mit einem anderen Schriftsteller zum Abendessen eingeladen ist. Er ist Maurice gegenüber von Anfang an misstrauisch eingestellt und scheint ihn immer wieder zu durchschauen. Dieser Abschnitt ist in der dritten Person geschrieben, was dem Geschehen etwas mehr Distanz verleiht.
Der nächste Abschnitt wird rückwirkend aus der Ich-Perspektive einer Frau erzählt, die offenbar mit Maurice verheiratet war. Sie spricht nicht über Maurice sondern zu ihm, was nochmal einen ganz besonderen Effekt hat. Und zuletzt kommt Maurice selbst zu Wort. Erst in der dritten Person, später dann als Ich-Erzähler.
Zwischen den einzelnen Abschnitten vergeht immer mehr Zeit und was in der Zwischenzeit passiert, wird in dem jeweiligen Abschnitt dann nur rückblickend klar.
Diese raffinierte Erzählweise sorgt dafür, dass man Maurices wahrer Persönlichkeit analog zur Erzählform immer näher kommt. Man wird immer mehr in seinen Strudel aus Lügen hineingezogen und obwohl man ihm ja schon von Anfang an nicht traut – bei einem Roman der schon Die Geschichte eines Lügners heißt – ist man doch immer wieder übberrascht, zu was er fähig ist.
Und man fragt sich die ganze Zeit nur, wann er endlich mal nicht mehr mit mit seinen Lügen durchkommt. Oder wann er selbst mal an jemanden wie sich selbst gerät und mit seinen eigenen Waffen geschlagen wird.

Ich habe diesen Roman, wie gesagt, fast inhaliert. So wie man sonst mit einem sympathischen Protagonisten mitfiebert und hofft, dass die Geschichte gut für ihn ausgeht, habe ich hier nur mit angehaltenem Atem darauf gewartet, dass ihn endlich jemand stoppt.
Der Schreibstil ist flüssig und teilweise bissig ironisch und die Geschichte ist einfach nur spannend. John Boyne beweist hier das, was seinem Protagonisten fehlt. Er hat einen tollen Stil, kann brilliant erzählen und hatte dazu auch noch eine tolle Idee für eine spannende Geschichte. Vielleicht hätte Maurice einfach mal über sich selber schreiben sollen.

Fazit

Ich machs kurz: Ich kann für diesen Roman einfach nur eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen!
Spannend, überraschend und kurzweilig und trotzdem auch psychologisch und erzählerisch sehr interessant, wird hier die Geschichte eines Manipulators erzählt, der mit ebenso hinterhältigen, wie unerwarteten Tricks zu dem Ruhm kommt, von dem er tatsächlich denkt, dass er ihm zusteht. Besonders für diejenigen, die Geschichten wie Der Talentierte Mr. Ripley mochten, könnte dieser Roman genau das Richtige sein.

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Titel: Die Geschichte eines Lügners
Autor: John Boyne
übersetzt von: Maria Hummitzsch und Michael Schickenberg
erschienen am: 11.01.2021
Verlag: Piper
Seiten: 432
ISBN: 978-3-492-05963-3
Preis (Gebunden): 24,00€

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4 Kommentare

  • Eli

    Die Story klingt ja wirklich super interessant und spannend! Ich bin ein großer Fan davon, wenn Hauptcharaktere unsympathisch und nicht unbedingt die Helden der Story sind. Da scheint das Buch genau meinen Geschmack zu treffen.

  • Lisa

    Liebe Ricy,

    das hört sich ja mega an. Ich tue mich mit unangenehmen Hauptprotas immer etwas schwer ich bin direkt so emotional.
    Scheint in diesem Fall aber interessant umgesetzt worden zu sein. Kaum zu glauben wie dreist eine Figur sein kann und damit durchkommt.

    LG Lisa

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