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Kurzrezension: “The Circle” von Dave Eggers – Roman und Verfilmung

Am 07. September kam die Verfilmung von Dave Eggers’ Bestseller “The Circle” in die deutschen Kinos.
Da mir das Buch, als ich es vor drei Jahren gelesen habe, ziemlich gut gefallen hat, wollte ich die neue Verfilmung zum Anlass nehmen, eine klitzekleine Kurzrezension zu verfassen und direkt auch die Verfilmung anzusprechen, die im Gegensatz zu den Buchkritiken, die den Dystopie-Roman immer wieder als modernes “1984” beschrieben und ihn oft positiv mit Orwells Werk oder Aldous Huxley’s “Schöne neue Welt” verglichen, eher Bewertungen unter dem Titel “1984 für Dumme” (Süddeutsche) erhielt. Zu Recht? Damit möchte ich mich hier auseinandersetzen.

The Circle

Titel: The Circle
Autor: Dave Eggers
erschienen: 10.10.2013
Verlag: Penguin
Seitenzahl: 494 Seiten
Preis: 6,99€ (Taschenbuch)
in Deutschland erschienen am: 08.10.2015
Verlag: KiWi-Taschenbuch
Preis: 10,99€

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Inhalt

Mae Holland kann ihr Glück kaum fassen, als ihre College-Freundin Annie ihr mitteilt, dass sie ihr einen Job beim größten Internetunternehmen “The Circle” verschaffen konnte. Voller Elan stürzt sie sich in die neue Arbeit bei einem Unternehmen, das einfach alles vereint. Accounts bei Social-Media-Foren, Online-Banking, E-Mail-Diensten etc. werden dank “TruYou” in einer Internetidentität zusammengefasst und für seine Mitarbeiter hält der Circle neben dem Arbeitsplatz auch eine unendliche Vielzahl an Freizeit-Möglichkeiten bereit. Neben ihren Aufgaben in der “Costumer Experience” bemerkt Mae schnell, dass digitale und reale soziale Interaktion genauso sehr zum Arbeitsalltag gehören. Nach Feierabend geht das Leben beim Circle erst so richtig los. Da werden rauschende Partys gefeiert, man kann shoppen gehen und verschiedensten Sportaktivitäten nachgehen – natürlich alles komplett kostenlos. Ach ja, und übernachten kann man in den luxuriösen Schlafräumen auf dem Campus natürlich auch. Das wichtigste ist, dass man alles teilt, kommentiert und bewertet, denn: “Secrets are lies. Sharing is caring. Privacy is theft.” Das sind die Leitsätze des Circles…Deshalb wird auch das “SeeChange”-Projekt ins Leben gerufen, dass darin besteht, dass weltweit überall Minikameras verteilt werden, die live ins Internet – für jeden auf der ganzen Welt sichtbar – übertragen.

Meine Meinung (ich beziehe mich auf die englische Ausgabe)

Als großer Fan von George Orwells “1984” bin ich natürlich mit einer gewissen Erwartungshaltung an diesen Roman herangegangen und zugegeben, er kam lange nicht daran. Dennoch hat er mir ziemlich gut gefallen und zeichnete für mich unabhängig von anderen Dystopien ein nicht weniger beklemmendes Zukunftszenario.

Mae ist von Anfang an von der Welt des Circles fasziniert, kleine Zweifel wischt sie spätestens dann beiseite, wenn sie ihren Arbeitsplatz durch Konfrontationen gefährdet sieht. Sie wandert mit einer Naivität und Überzeugung durch diese Szenerie, die mich als Leser wirklich aufregte. Doch das machte das Buch nicht schlecht, vielmehr fand ich, dass es den Roman aus der Menge an Dystopien hervorhob. Bei Orwells 1984 oder Huxleys “Schöne neue Welt” und diversen anderen Dystopien lernen wir das Regime von Anfang an als etwas Bedrohliches, Totalitäres, Repressives kennen. Die Protagonisten sind in diesen Fällen, die Einzelfälle, die daraus hervorbrechen wollen, das Regime als etwas Böses erkennen und etwas verändern wollen. Nicht bei “The Circle” – hier ist es nicht die Regierung, die unterdrückt, sondern ein Unternehmen, das einfach nur Dienstleistungen anbietet, die jeder freiwillig nutzt und somit zum Machtaufbau beiträgt. Mae sieht die Produkte und Dienstleistungen nicht als gefährliche Instrumente zur Machtgewinnung an, sondern als Wunder der Technik, als etwas, dass die Welt zu einem besseren Ort machen kann und ist davon begeistert.
Zudem haben wir es hier mit einer Zukunft zu tun, die gar nicht so weit weg von unserer Realität ist, auch das habe ich schon als Kritikpunkt gelesen. Ich sehe das jedoch nicht so. Es zeigt doch erst recht, dass wir keine interkontinentalen Kriege, keine genetische Modifizierung des Menschen etc. brauchen, um uns eine totalitäre Welt zu erschaffen, in der nicht die Regierung unser Feind und Unterdrücker ist, sondern ein Unternehmen, das wir selber bereitwillig finanzieren und bei dem wir mitmachen.

Die Ausarbeitung der Charaktere zählt tatsächlich nicht zu den Stärken des Buchs, diese bleiben eher flach, wirkten für mich oft wenig nachvollziehbar und sind sehr stereotypisch. Mae ist sehr naiv und lässt sich leicht von der schillernden Welt des Circles beeindrucken. Annie ist schon ganz oben in der Führungsetage angekommen, zerbricht aber langsam an dem Druck und beginnt zu zweifeln. Maes Jugendfreund Mercer sträubt sich gegen jede Form des digitalen Fortschritts, was ihm recht schnell zum Verhängnis wird…Viel mehr erfahren wir aber nicht über ihr Leben. Ihre Eigenschaften werden dem Leser eher plump dargestellt. So möchte Mercer, der  Kronleuchter herstellt, diese z.B. nicht im Internet verkaufen, was seine Abneigung gegen die digitale Welt meiner Meinung nach sehr überspitzt, ihn nicht als vernünftigen “Zweifler” darstellt, sondern sofort als konservativen Sonderling…Die Charakterdarstellung war für mich somit eine ziemliche Schwarz-Weiß-Malerei. Leute die den digitalen Fortschritt auch als etwas Positives sehen und trotzdem nicht ihr ganzes Leben im Internet preisgeben wollen, gibt es scheinbar kaum. Die Figuren hätten wirklich etwas mehr Tiefe vertragen können.
Die Story war für mich dadurch aber nicht weniger bedrohlich, obwohl ich mich nicht mit Mae identifizieren konnte, konnte ich mir die Situation sehr gut vorstellen…und muss leider sagen, dass wirklich schon vieles davon wahr geworden ist oder wenigstens nicht unwahrscheinlich ist, in naher Zukunft wahr zu werden.

Der Schreibstil fand ich sehr einfach und flüssig, wodurch sich das Buch schnell lesen ließ.
Fazit
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen. Gerade die Realitätsnähe und Maes Naivität fand ich erfrischend für eine Dystopie. Gerade diese Naivität machte für mich die beklemmende Wirkung des Buches aus. Der einfache Schreibstil trägt zudem zur Spannung bei, die sich vor allem dadurch entwickelt, dass man die ganze Zeit darauf wartet, dass Mae endlich aufwacht und sieht wohin das ales führt…
Die leider insgesamt eher schlecht ausgearbeiteten Charaktere dämpften das Lesevergnügen für mich nur wenig.

4Sterne

Insgesamt würde ich dem Buch 4 Sterne geben.

Die Verfilmung

Kommen wir jetzt zur Verfilmung…

Am Wochenende habe ich dann endlich die Verfilmung gesehen, auf die ich gerade wegen der hochkarätigen Besetzung (Emma Watson UND Tom Hanks) schon lange hingefiebert habe…Da der Film bereits vor einigen Monaten in den USA herauskam, wurde meine Vorfreude allerdings schon etwas gebremst, als die die Vielzahl an schlechten Bewertungen las… ein imdb-Score von 5,3 (von 10) …ernsthaft?! Dennoch wollte ich mir natürlich selbst eine Meinung bilden.

Tja, was soll ich sagen. Der Film fing ganz gut, wenn auch sehr schnell an…und es ging immer schneller weiter. Ganze Szenen und Charaktere wurden weggelassen, ja ganze Handlungsstränge, wichtige handlungsweisende Beziehungen die die Protagonistin eingeht… Die Abfolge von Ereignissen wurde verändert und sogar das Ende wurde leicht abgeändert. Ich finde es ja gar nicht schlimm, wenn eine Verfilmung die Grundidee eines Buches aufgreift und daraus etwas “eigenes” macht. Aber diese Verfilmung hat genau das, was das Buch für mich so bedrückend machte, weggelassen. Das was für mich bei der Lektüre alle Hoffnung an ein gutes Ende zerstörte, kam gar nicht vor. Stattdessen stolziert die hübsche und fröhliche Emma durch den Circle und trägt zu seiner “Vollendung” bei, wirkt jedoch nicht, wie gerade einer Gehirnwäsche unterzogen, sondern, als wäre das alles ihre Idee gewesen, als sei sie die große Heldin. Natürlich wirkt auch das sehr bedrohlich, ließ ihren Charakter für mich aber noch oberflächlicher erscheinen.

Auf der anderen Seite wurden wenig dramatische Buch-Szenen, wahrscheinlich zu filmischen Zwecken, total aufgebauscht. So gerät Mae im Film mit einem gestohlenen Kajak in Seenot und wird dank der vom Circle überall verbreiteten Kameras gesehen und gerettet, was sie darin bestätigt, wie toll diese “Überwachung” doch ist. Im Buch hingegen schippert sie ohne Sturm oder ähnliches gemütlich zur Küste zurück und wird da von der Polizei erwartet, da sie dabei gesehen wurde, wie sie das Boot entwendete. Dieser Vorfall wird von der Führungsetage des Circles genutzt, um sie durch subtile Manipulation zu der Erkenntnis zu bringen, dass sie die Straftat nicht begangen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sie beobachtet wird. Diese Erkenntnis soll sie dann vor versammelter Circle-Mannschaft als Argument für das SeeChange-Programm vortragen: durch SeeChange könnte die Kriminalität weltweit stark dezimiert werden!
Ein Moment im Buch, der sie wirklich an der “vollkommenen Transparenz” zweifeln lassen könnte, nämlich, als ein unangenehmes Video von ihr ins Internet gestellt wird, kommt wiederum gar nicht im Film vor…

Der Film hat somit die sowieso teilweise sehr einfache und oberflächliche Geschichte und die darin vorkommenden Charaktere noch mehr vereinfacht, sodass dieser zu einem richtigen Lückentext wurde und für mich stark an Aussauge einbüßen musste.
Wer das Buch nicht gelesen hat kann mit dem Film wahrscheinlich kaum etwas anfangen, zu viele Dinge bleiben zu oberflächlich, zu wenig erklärt und somit unglaubwürdig. Der ganze Teil im Buch, in dem Mae sich in den Circle einfindet, ihren Ehrgeiz entdeckt und sich langsam zur “Mustermitarbeiterin” entwickelt, wird in zehn Minuten zusammengefasst, wichtige Elemente ganz weggelassen und das Bisschen, was doch vorkommt, meiner Meinung nach fast lächerlich überspitzt dargestellt. Subtil ist die Manipulation, der sie ausgesetzt ist, im Film wahrlich nicht!
Der Film hätte gut und gerne weitere 30 Minuten vertragen können und wäre dann immer noch nicht zu lang gewesen, hätte aber wenigstens etwas erklärt und die Geschichte etwas nachvollziehbarer gemacht.

Für Leute wie mich, die das Buch gelesen haben, kann er ganz unterhaltsam sein, obwohl ich am Schluss, vor allem wegen des Endes enttäuscht war.

Ich würde dem Film 2,5 von 5 Sternen geben.

2,5Sterne

Hier geht’s zum Trailer!

Habt ihr das Buch gelesen? Und vielleicht auch schon den Film gesehen? Dann würde ich mich über eure Meinung in den Kommentaren freuen! :)

 

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5 Kommentare

  • Jennifer

    Hallo :)
    Ich habe den Film gesehen, das Buch jedoch nicht gelesen.
    Ich muss sagen, dass ich den Film eigentlich ganz ok fand. Ich mochte es auch, dass Mae sehr naiv durch ihre kleine heile Welt wandert, habe mich aber tatsächlich schon gefragt, ob sie im Buch nicht ein wenig kritischer ist.
    Zu deiner Kritik, dass sie im film weniger offensichtlich manipuliert wird. Ich glaube, dass der Film sich einfach an ein anderes Publikum richtet (ich glaube, das ist meist so). Von daher ist es klar, dass Film vom Buch abweicht. Ich finde so was prinzipiell nicht so schlimm, kann aber deine Kritik nachvollziehen. Dennoch glaube ich, dass der ein oder andere vielleicht trotzdem ein bisschen nachdenkllich wird, ich denke, mehr kann man von so einem Film auch nicht erwarten… :)
    Deine Enttäuschung kann ich aber nachvollziehen…
    VG Jennifer

  • Sabrina

    Hallo Ricy,

    ich mochte The Circle auch sehr. Die Schwächen des Romans, die du herausgearbeitet hast, würde ich genauso unterschreiben. Für mich war er im Gegensatz zu Orwell noch deutlich näher an der Realität vor allem mit der von dir auch beschriebenen Freiweilligkeit, mit der sich alle dem Circle unterordnen.

    Vom Film hätte ich auch mehr erwartet. Vor allem das Ende war wieder typisch Hollywood, wo das Meiste irgendwie positiv enden muss. Natürlich habe ich beim Lesen des Romans immer gehofft, dass Mae aufwacht und sich gegend en Circle stellt. Aber das Ende wirkt so wie es ist deutlich realistischer und macht den Roman stärker. Dass das geändert wurde, hat mir im Kino den Rest gegeben.

    Liebe Grüße
    Sabrina

    • ricysreadingcorner

      Hallo Sabrina,

      ja, das Ende war ja genau das, was das Buch so besonders gemacht hat und es sogar noch irgendwie aus der Masse der Dystopien herausgehoben hat.
      Naja, Hollywood halt…

      Liebe Grüße
      Ricy

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