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[Rezension] “Wie viele willst du töten” von Joanna Schaffhausen

Dieses Rezensionsexemplar kam überraschend und zufällig absolut passend inklusive einer Karte mit einem schlichten “Happy Birthday” darauf, in der Woche meines Geburtstags Anfang März bei mir an. Vielen Dank an dieser Stelle an den dtv Verlag! :D
So passend, dass es mir erstmal eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat. Warum? Lest hier:

Worum geht’s?

Ellery Hathaway arbeitet als Polizistin in einem kleinen Ort in Massachusetts. Schwere Verbrechen und knifflige Kriminalfälle kommen da eher selten vor. Doch seit ein paar Jahren bekommt sie immer an ihrem Geburtstag eine anonyme Karte, auf der nur “Happy Birthday Ellery” steht, und kurz darauf verschwindet ein Mensch aus dem Ort. Obwohl sie immer wieder darauf besteht, dass diese Vermisstenfälle weiter untersucht werden, glauben ihre Kollegen nicht an ein Verbrechen und schon gar nicht daran, dass diese zusammenhängen könnten. Es weiß aber auch keiner, dass Ellery als Jugendliche die einzige Überlebende eines Serienkillers war oder dass die Menschen immer passend zu ihrem Geburtstag verschwinden – genau wie sie damals. Wie lange kann Ellery ihre schwere Vergangenheit, die sie doch mit ihrem Umzug in dieses kleine Nest einfach nur hinter sich lassen wollte, noch für sich bewahren, wenn ihr sonst keiner glaubt. Denn nun rückt ihr Geburtstag erneut immer näher. Sie wendet sich an den einzigen, der ihre Geschichte kennt und der ihr glauben würde: FBI Agent Reed Markham. Er war derjenige, der sie damals aus den Klauen des Killers gerettet hat…

Meine Meinung

Ihr versteht jetzt, warum dieses Buch zu keinem passenderen Zeitpunkt bei mir ankommen konnte, als wenige Tage nach meinem Geburtstag?! Wäre der Thriller nicht einfach gerade dann erschienen, hätte ich mir wirklich Sorgen gemacht!
Wie viele willst du Töten hat mich schon auf den ersten Seiten gepackt.
Das Buch beginnt mit einer Szene, die vierzehn Jahre vor der eigentlichen Handlung spielt. Sie wird aus der Sicht einer Person erzählt, die die Entführung eines Mädchens beobachtet und diese Beobachtung für sich behält.

“Sein Gesicht mit dem Finger an den Lippen und das Mädchen, das er wie eine Stoffpuppe in sein Auto geworfen hat, haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Schsch. Erzähl niemandem davon!
Ich habe nie jemandem davon erzählt.”

Wie viele willst du töten, Joanna Schaffhausen, dtv, S. 8

Dann setzt die eigentliche Handlung ein und ich war direkt von dieser Atmosphäre von unerträglich heißen Sommertagen in einer Kleinstadt und Ellerys dunklen Vorahnungen, die niemand hören will, gefesselt. Immer wieder werden düstere unheimliche Szenen heraufbeschworen, die mir Gänsehaut verursachten, ohne, dass dieser Thriller besonders blutig oder von Beginn an absolut spannend wäre.
Ellery empfand ich als sehr interessante Protagonistin. Eine Polizistin, die als Jugendliche die Entführung durch einen gefürchteten Serienkiller überlebte und die nun, nachdem sie sich extra, um ihrer Vergangenheit zu entkommen, in eine Kleinstadt zurückgezogen hat und ihren Vornamen geändert hat, diese subtilen Hinweise erhält, dass da jemand ist der ihre Geschichte kennt und der ziemlich gefährlich sein könnte.
Hier kommen wir auch zu meinem einzigen wirklichen Kritikpunkt an der Story. Ellerys neues Leben und ihre strickte Geheimniskrämerei über ihre Vergangenheit wirkten für mich sehr konstruiert und meiner Meinung nach Angesichts dieser Bedrohung gegen die sie gerne ermitteln möchte und der Tatsache, dass sie immerhin bei der Polizei arbeitet, nicht ganz glaubwürdig.
Aber wenn alles in Thrillern immer total logisch und glaubwürdig wäre, dann müssten in der Realität auch viel mehr Serienkiller herumlaufen und ständig irgendwelche bedeutsamen Ritualmorde verüben. Deshalb kann ich über solche kleinen Makel hinwegsehen.
Denn abgesehen davon, hat mich diese Geschichte voll und ganz überzeugt!

Ich dachte wirklich die ganze Zeit, dass mein Verdacht bestätigen würde, den ich ziemlich zu Beginn aufgrund eines, wie ich dachte, von mir scharfsinnig bemerkten kleinen Hinweises hatte. Tja, aber wie es scheint ist die Autorin eine Meisterin der falschen Fährten! Die Auflösung zum Schluss habe ich, bis auf einen ganz kurzen Verdacht, zumindest so nicht erwartet und dennoch ist sie durchaus schlüssig.
Die geschickte Erzählweise, durch die die Geschichte mal aus Ellerys und mal aus der Sicht des FBI-Agenten Reed Markham erzählt wird, führt zudem dazu, dass man die Protagonisten, ähnlich, wie sie sich gegenseitig, eher schrittweise kennenlernt und auch manchmal ihre Beweggründe in Frage stellt.
Auch Reed ist ein sehr interessanter Charakter, dessen große Heldentat damals, die Rettung der jungen Abby (jetzt Ellery), war. Er schrieb sogar ein Buch darüber, das ein Bestseller wurde. Nun muss er feststellen, dass er zwar ihr Leben gerettet hat, jedoch das Trauma, das die Tat ausgelöst hat, damit nicht ungeschehen machen konnte. Zum ersten Mal, macht er sich wirklich Gedanken darüber, was dieser Fall, der ihn berühmt machte, für das Opfer bedeutet. Und auf sein derzeitiges Leben ist er alles andere als stolz. Seine Frau will die Scheidung und das FBI hat ihn aufgrund eines folgenschweren Fehlers in einem Fall beurlaubt.

“Seine Brust schwoll jedes Mal vor Stolz an, wenn er nach dem Fall befragt wurde. Nach dem Mädchen, nach derjenigen, die überlebt hatte: Reed Markham hatte sie aus Cobens Fängen befreit. Jetzt würde er sehen, ob sie auch wirklich gerettet worden war.”

Wie viele willst du töten, Joanna Schaffhausen, dtv, S. 37

Die Beziehung der beiden Hauptcharaktere, die dieses prägende Ereignis in der Vergangenheit verbindet, die dadurch einerseits vertraut, aber auch irgendwie misstrauisch ist, fand ich sehr gut und authentisch ausgearbeitet.
Während sie zunächst noch sehr undurchsichtig erscheinen, erfährt man langsam immer mehr über die beiden und ich konnte schnell richtig mit ihnen mitfiebern.

Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und die Spannung nimmt stetig zu, während immer wieder unerwartete Wendungen oder geschickt platzierte Hinweise auftauchen, sodass ich geradezu durch die Seiten geflogen bin.
Ich habe bereits ein paar Rezensionen gelesen, die die Bezeichnung Thriller in diesem Fall für unangemessen halten, da dafür die gnadenlose Spannung fehle. Dem kann ich nicht zustimmen. Die Spannung wird hier zwar nicht durch besonders schockierende, blutige Szenen, getragen, dafür aber von Ellerys persönlichem Schicksal, über das man mehr erfahren möchte und die gemeinsame Ermittlung mit Reed, bei der sie auch das früher Geschehene aufarbeiten und zu verstehen versuchen, wie das alles zusammenhängt, welchem Muster die Verbrechen folgen und warum. Außerdem fand ich wie gesagt, die unheilvolle Atmosphäre, die die Autorin mit ihrem Schreibstil, den Hinweisen und den wechselnden Perspektiven heraufbeschwört, wirklich oft thrilling!

Fazit

Ein spannender, intelligenter und bis auf kleine Schwächen interessant konstruierter Thriller. Besonders gefallen haben mir die beiden Hauptcharaktere, die ein sehr prägendes Ereignis in der Vergangenheit zusammengeführt hat und die nun gemeinsam ermitteln. Die unheilvolle Atmosphäre, der flüssigen Schreibstil, der zu einem hohen Lesetempo beiträgt und der mit geschickten Hinweisen und falschen Fährten gespickte Spannungsbogen haben mir ein paar sehr unterhaltsame und fesselnde Lesestunden beschert. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ein wirklich gelungenes Debüt, das ich gerne weiterempfehle!

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Titel: Wie viele willst du töten
(Original: The Vanishing Season)
Autorin: Joanna Schaffhausen
Übersetzung: Irene Eisenhut
Verlag: dtv
erschienen am: 13. März 2020
Seiten: 336
ISBN: 978-3423219204
Preis (Taschenbuch): 10,95€

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