
Rezension: A Madness So Discreet – Mindy McGinnis
Ein mitreißender historischer Roman…
“It’s a madness so discreet that it can walk the streets and be applauded in some circles, but it is madness nonetheless.” S. 363
Worum es geht…
Grace spricht mit niemandem. Ihre Stimme hat sie genauso tief in sich eingeschlossen, wie ihre Erinnerungen an die schrecklichen familiären Erlebnisse, die sie durchgemacht hat. Diese Geheimnisse und ihre Schwangerschaft führen dazu, dass Grace von ihrer einflussreichen Familie in einer psychiatrischen Klinik vor der Öffentlichkeit versteckt wird.
Nach einer Auseinandersetzung mit dem unangenehmen Leiter der Anstalt wird sie in eines der dunklen Kellerverließe gesperrt, wo sie einen anderen Insassen kennenlernt und endlich ihre Stimme wiederfindet. Als ein junger Arzt, der für besondere Fälle kontaktiert wird, das Krankenhaus besucht, entdeckt dieser Graces besondere Fähigkeit, die sie in ihrer Situation eher bedauert: ihr außerordentlich gutes Gedächtnis. Der junge Doktor Thornhollow hat seine Arbeit vor allem der Kriminalpsychologie verschrieben, bei der ein Gedächtnis wie das von Grace sehr nützlich sein könnte. Mit seiner Hilfe gelingt Grace die Flucht und sie begleitet ihn zu seinem neuen Arbeitsort, einer sehr fortschrittlichen psychiatrischen Klinik in der sie sich endlich sicher fühlt. Während sie im Alltag eine stumme psychiatrische Patientin spielt, hilft sie Thornhollow bei ihren gemeinsamen Unternehmungen, Mörder zu jagen und die kriminalpsychologische Methode, die wir heute als Profiling bezeichnen, weiter auszuarbeiten. Währenddessen muss sie sich auch den Schatten ihrer Vergangenheit stellen.
Meine Meinung
Ich glaube dieses Buch wurde bisher nicht einmal auf Deutsch übersetzt…Warum? Ich kann es mir nicht erklären, denn es ist so gut!
Durch Grace erlebt der Leser die düstere Atmosphäre einer psychiatrischen Anstalt des 19. Jahrhunderts auf unglaublich einfühlsame Weise. Grace ist zerrissen und zu Beginn ein gebrochener Charakter. Durch ihre Aussicht darauf, eine sinnvolle Aufgabe zu bekommen, blüht sie jedoch erneut auf, entwickelt wieder Freude und sogar ein starkes Durchsetzungsvermögen, obwohl sie nach außen hin, weiter die emotional gebrochene, geistig eingeschränkte Patientin spielen muss. Dennoch hat sie ihre dunklen Momente, in denen die Vergangenheit sie wieder einholt. Sie ist eine sehr facettenreiche Protagonistin, die zu sehr vielen authentischen Emotionen fähig ist, während die allüberschattende Dunkelheit ihrer Vergangenheit in allem was sie denkt, tut und fühlt mitschwingt.
Dr. Thornhollow ist ein Wissenschaftler durch und durch, der selbst von sich sagt, nicht viel mit Gefühlen anfangen zu können. Oftmals hat er mich damit sehr an Sherlock Holmes erinnert. Dennoch entwickelt sich aus der gemeinsamen Arbeit der beiden eine Freundschaft, die auch zu vielen heiteren Situationen im Buch führt.
Trotz der insgesamt düsteren Stimmung und dem ernsten Thema, gibt es immer wieder Dialoge, die nur so vor Witz sprühen. Auch die beiden Freundinnen, die Grace in der neuen Klinik kennenlernt, sind ganz toll ausgearbeitete Nebencharaktere. Die irische Nell mit ihrem losen Mundwerk, hatte es nicht leicht in ihrem Leben und scheint trotzdem ihre positive und überschwängliche Art nicht verloren zu haben. Die kleine Elizabeth, die eingewiesen wurde, weil sie der Überzeugung ist, dass ein “Faden” neben ihrem Ohr baumelt, der ihr Dinge einflüstert, ist ebenfalls sehr viel cleverer und normaler, als es damals von einem Psychiatrie-Patienten erwartet wurde.
Ich habe so sehr mit diesen interessanten und liebenswerten Charakteren mitgefiebert, dass ich richtig traurig war, als ich die letzte Seite umgeschlagen hatte.
Während Thornhollow und Grace gemeinsam an einem unheimlichen Mordfall arbeiten, war das nicht das Einzige, was ich mit Spannung verfolgt habe. Ebenso spannend – wenn nicht sogar spannender – war es für mich Graces Entwicklung zu verfolgen: von einem verstörten, stummen Mädchen zu einer zielstrebigen und durchsetzungsfähigen Frau. Dennoch schwingen Graces Dämonen ständig mit und man merkt als Leser, dass es ist nur eine Frage der Zeit ist, wann sie sich diesen Stellen muss. Während die Geschichte langsam gefühlt auf ein Happy End hinausläuft, nimmt sie plötzlich eine von mir vollkommen unerwartete düstere Wendung, die noch einmal deutlich macht, worum es in dem Buch geht.
Es geht darum, dass es keine klaren Grenzen gibt: Wer ist geisteskrank und wer ist normal und woran wird das bemessen? Was ist moralisch gut und was ist böse und was macht es zu dem einen oder dem anderen? Es geht um Graustufen und moralische Entscheidungen in denen es schwierig ist richtig und falsch klar zuzuordnen.
“You make it sound as if hardly anyone is insane with a definition as narrow as that”.
“Quite the opposite; my definition is too broad. I think we’re all quite mad. Some of us are just more discreet about it.”
S. 136
Fazit
A Madness So Discreet ist ein unglaublich mitreißender und atmosphärisch düsterer, historischer Roman, der in seinem Stil und durch die Zeit in der er spielt, an die typischen Gothic Novels des 19. Jahrhunderts angelehnt ist.
Die authentischen und liebenswerten Charaktere, lassen einen in Spannung mitfiebern, während sie auch in der allgemein ernsten Situation mit oftmals witzigen Dialogen und ihren schrulligen Eigenarten den Lesegenuss für mich vollendeten.
Ein wunderbarer historischer Roman über die fließenden Grenzen zwischen “normal” und verrückt, über gut und böse, der meiner Meinung nach in Deutschland noch viel zu wenig Beachtung gefunden hat.
“Sometimes the lovliest places harbor the worst monsters.” S. 105
||Wem die Klassiker von Mary Shelley oder Bram Stoker gefallen, der könnte mit diesem Buch richtig liegen.||
Angaben zum Buch
Titel: A Madness So Discreet
Autor: Mindy McGinnis
Verlag: Katherine Tegen Books (6. September 2016)
erstmals erschienen am: 06. Oktober 2015
Seiten: 372
ISBN: 978-0062320872
Preis (Taschenbuch): 6,99€
(c) Cover: Katherine Tegen Books
Beitragsbild: Ricarda Schneider


4 Kommentare
Ida
Liebe Ricy,
danke für diese tolle Rezension! Sind wir mal ehrlich, der Inhalt, das Cover, das alles hat mich schon echt gereizt… aber dann noch dein Tipp mit Mary Shelley und Bram Stoker – ich kann nicht anders als mir dieses Buch zuzulegen!
Liebste Grüße,
Ida
ricysreadingcorner
Hallo Ida,
danke für deinen Kommentar.
Ich bin ähnlich auf dieses Buch gestoßen: über eine Instagrammerin, die immer wieder davon geschwärmt hat :) und zu Recht!
Es ist vielleicht etwas lockerer als die genannten Klassiker, aber es hat diese “düsterschöne” Gothic Novel-Atmosphäre (wenn du weißt, was ich meine :D ), die aber auch immer wieder durch humorvolle Gespräche aufgeheitert wird. Insgesamt eine schöne Mischung…ich wünschte die Geschichte wäre noch weitergegangen und ich denke, dass ich mir auch mal die anderen Bücher der Autorin anschaffen werde…
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Ricy
Lisa
Hallo Ricy,
das klingt total spannend! Erst mal lese ich sehr gerne auf Englisch, das stellt also schon mal kein Problem dar und dann finde ich Gothic Literatur total faszinierend. Die Atmosphäre, die in solchen Büchern häufig entsteht, hat es mir wirklich angetan. Ich werde mir das Buch jetzt mal genauer anschauen :)
Liebe Grüße
Lisa
ricysreadingcorner
Hallo Lisa,
danke für deinen Kommentar! Es freut mich, dass ich dich auf das Buch aufmerksam machen konnte :)
Ich liebe diese “düsterschöne” Atmosphäre auch total.
Liebe Grüße
Ricy